Die Stimmen der Vögel



Frühling. Viel tut sich. Die Vögel sind dabei. Ich habe im Lauf der Zeit viele ihrer Stimmen wahrnehmen gelernt. Ich höre, wenn sie hier zurück sind. Oder wenn sie auf dem Durchzug sind. In diesem Jahr waren die Kraniche drei Wochen in meinen  Flußwiesen – eine edle Klangkulisse.
Was höre ich? Vieles. Diese Musik begleitet mich im Kreis der Jahreszeiten. In mir gibt es eine eigene Hörwelt, in der ich mit ihnen unterwegs bin. In der sie mit mir unterwegs sind. Wir sind in einer achtungsvollen Gemeinsamkeit, ich erlebe die Vögel als Begleiter meiner Lebensreise, Jahr um Jahr. Im Rhythmus der Sonne.
Es sind diese Resonanzen, die sie auslösen. Die in mir entstehen, wenn ich ihre Stimmen höre. Diese Resonanzen sind mit Worten nicht einzufangen. Da gibt es keine Region in meinem Gehirn, die dafür zuständig wäre. Also bleibt es bei der akustischen Wahrnehmung, die vielfältigste Emotionen in mir sein lassen. Immer ist Vertrautheit dabei, Sicherheit, gutes Gelingen. Die Selbstverständlichkeit des Bei-mir-Seins, diese tiefgründige Liebe jenseits der Gedanken. Der Kern des Selbst.
Die Stimmen der Vögel versichern mir, daß es einfach ausreicht, bei mir zu sein, mich meiner  Harmonie zu öffnen. Es braucht nicht mehr. Es fließt, auch durch mich, und ich fließe mit. Und ich muß nichts tun, gar  nichts. Auch wenn ich über ihre Geschäftigkeit nachsinne - sie sind aus dem Ur kommend vital, völlig ungebrochen. Geschäftig? Menschenwelt. Die Vögel sind. Sie finden statt. 
Und genau das rührt mich an. Ich muß nichts anders. Als stattfinden. Ich finde statt. Ungebrochen wie die Sinfonie um mich herum. Substantielle Selbstliebe. Kranich, Lerche, Nachtigall - zig Varianten. Mit immer derselben Botschaft: Liebe ist. Mein Ohr, ihre Stimmen, Mitsein im Insgesamt.